Offener Brief

an die Landtagsfraktion der CDU Baden-Württemberg

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Reinhart, 
sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete unserer Partei im Landtag von Baden-Württemberg,

Erstaunt, befremdet, empört und enttäuscht haben wir von der gestrigen Entscheidung der CDU-Landtagsfraktion erfahren, die im Koalitionsvertrag festgeschriebene Reform des Landtagswahlrechts nicht umzusetzen. Wir wissen und respektieren, dass jede/r Mandatsträger/in nur ihrem Gewissen verantwortlich ist, halten aber fest, dass die Reform des Landtagswahlrechts Beschlusslage unserer Partei ist. Mit ihrem Beschluss stellt sich die Fraktion gegen einen geschlossenen Vertrag und setzt damit das wichtigste Pfund eines/r Politikers/in aufs Spiel: Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit. 

Wir fragen uns: Welches Bild gibt unsere Partei hier ab – in der Öffentlichkeit, gegenüber den Wählerinnen und Wählern? Als Begründung für den Fraktionsbeschluss hören wir, das bisherige Verfahren solle beibehalten werden, weil es basisdemokratisch sei. Wir fragen Sie: Welche Bürgernähe ist gegeben, wenn es in den großen Städten einfach gar keinen Landtagsabgeordneten der CDU mehr gibt, wie derzeit der Fall? Weshalb eine so genannte Kleine Liste - mit Beibehaltung des Einstimmenwahlrechts und der Kandidatenaufstellung in den einzelnen Wahlkreisen - nicht basisdemokratisch sein soll, leuchtet uns nicht ein.

Bliebe es bei dem Nein, beraubt sich die Landes-CDU der Möglichkeit einer besseren Steuerung – nicht nur in Bezug auf die Geschlechtergerechtigkeit, sondern auch in Bezug auf die ausgeglichene Zusammensetzung zwischen Ballungszentren und ländlichen Regionen oder auch in Bezug auf gesellschaftliche Gruppierungen (Menschen mit Migrationshintergrund, Spätaussiedler, Jüngere). Sie beraubt sich damit der Möglichkeit, in einer sich dynamisch verändernden Gesellschaft die Mehrheitsfähigkeit unserer Partei auch in Zukunft zu sichern.

Es ist eine Tatsache, dass der Frauenanteil im baden-württembergischen Landtag auch im bundesweiten Vergleich zu niedrig liegt. Seit Jahren konstatieren wir, dass die Sache Legislaturperiode für Legislaturperiode gar nicht oder nur im Schneckentempo vorankommt. Was den Frauenanteil an Landtagsmandaten anbelangt, ist die LandesCDU deutschlandweit entweder Schlusslicht oder auf dem vorletzten Platz. Und auch beim Frauenanteil unter den Mitgliedern schneidet die CDU Baden-Württemberg stets ganz weit unten ab. Wir können es leider nur als Zynismus empfinden, wenn es nun heißt, die CDU müssen eben mehr Frauenförderung betreiben. Wir finden uns in dem Beschluss der Landtagsfraktion nicht wieder und sehen uns nicht ernstgenommen.

Mit freundlichen Grüßen
Susanne Wetterich Bezirksvorsitzende Nordwürttemberg
Helga Gund Bezirksvorsitzende Südbaden
Silke Kurz Bezirksvorsitzende Württemberg-Hohenzollern

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